Den Ballast der Vergangenheit auflösen

Jeder hat schon einmal überreagiert. Doch woran liegt es, dass Menschen in einer an sich harmlosen Situation manchmal so reagieren, als wäre ihr Leben bedroht? Ein Beispiel: Jedes Mal, wenn ihr Freund sie wohlmeinend kritisiert, eskaliert die Situation sofort und die Frau droht ihm damit, die Beziehung zu beenden. Sie will das gar nicht und weiß, dass ihr Freund sie liebt und dass sie ihn gar nicht verlassen will, aber sie kann einfach nicht anders.

 

Es gibt viele Erklärungsansätze für derartige Verhaltensmuster. Die Kinesiologie geht davon aus, dass im Unterbewusstsein alles gespeichert ist, was wir jemals erlebt haben. Wenn traumatische Erlebnisse von dort aber nicht an die Oberfläche kommen und verarbeitet werden, dann versuchen sie, durch körperliche Symptome oder Verhaltensauffälligkeiten „auf sich aufmerksam zu machen“. Eine Überreaktion wird so als verspätete Notwehrreaktion auf eine Situation verstanden, in der man damals extremen Stress erlebte, diesen aber nicht bewusst verarbeiten konnte – etwa weil man starr vor Angst war. Auch aus psychologischen Studien ist bekannt, dass unser Gehirn auf eingebildete Gefahren tatsächlich genau so reagieren kann wie auf tatsächliche.

 

Muster aus der Vergangenheit steuern unsere Gegenwart

Im oberen Beispiel könnte es etwa sein, dass die Frau als Kind von ihrem Vater verlassen wurde. Der Vater hat das Kind vorher häufig kritisiert und ihm das Gefühl gegeben, nicht gut genug zu sein. Das Kind glaubte deshalb unbewusst, Schuld am Verschwinden des Vaters zu sein – und die erwachsene Frau hat nun in ihrer Beziehung Angst davor, wieder verlassen zu werden. Die Androhung, selbst die Beziehung zu beenden, ist somit eigentlich ein Versuch, sich vor dem Verlassenwerden zu schützen.

Die Kinesiologie versucht auch, unterbewusst gespeicherte Glaubenssätze aufzufinden. Der Klient sagt etwa den Satz: „Ich bin es wert, geliebt zu werden“, und sein Muskel wird schwach. Das bedeutet: Der Satz löst Stress aus, weil der Klient an seinem Wahrheitsgehalt stark zweifelt. Er hat also ein Selbstwertproblem, das als unbewusst gespeichertes Programm seine Beziehung zu sich selbst und anderen beeinflusst.

 

Von der Notwehr zur freien Entscheidung

Um unbewusste Programme oder Muster aufzuspüren, benutzt der Psycho-Kinesiologe den Muskeltest als Kommunikationsinstrument. Gearbeitet wird im Stehen oder im Liegen. Der Behandler befragt das Unterbewusstsein, was gerade „ansteht“ – ob etwa ein emotionales (Psyche), ein strukturelles (etwa Schmerzen) oder ein energetisches Thema (etwa Nahrungsmittelallergie) als Einstieg benutzt werden soll. Er fragt nach betroffenen Organen und Emotionen – das heißt, der Psycho-Kinesiologe verfolgt auch ein körperliches Problem bis zu seiner emotionalen Wurzel. Die Annahme ist hier, dass die körperliche Ebene nicht von der seelischen getrennt werden kann. Und er fragt das Ursprungsalter ab – das heißt, nach dem Alter, in dem die traumatische Situation stattfand, die nun immer wieder „dazwischen funkt“. Wissenschaftlich ist die Wirkungsweise der Kinesiologie  nicht erwiesen.

 

Fühlen, was man vorher nicht fühlen konnte

Dann geht es für den Klienten darum, sich zu erinnern. Das kann manchmal schwierig sein, denn wer weiß schon, was ihm als Zweijährigem zugestoßen ist. Ein erfahrener Kinesiologe aber kann hier Vorschläge machen und testen, bis die Situation rekonstruiert ist. Das kann auch ein objektiv betrachtet undramatisches Ereignis sein – etwa, dass die Mutter vor dem Kind heftig geweint hat. Oft ist es so, dass beim Behandelten an diesem Punkt starke Emotionen hochkommen – er empfindet das, was er damals nicht empfinden konnte.

 

Befreien durch Entkoppeln

Ziel des Psycho-Kinesiologen ist es nun, den Stress von damals aufzulösen, das heißt: ihn zu „entkoppeln“. Um die beste Methode zu finden, benutzt er wieder den Muskeltest. Es gibt verschiedene Entkopplungsmethoden: etwa die wissenschaftlich erprobte EMDR-Methode (Augen-Desensibilisierung und Wiederaufarbeitung) aus der Traumatherapie: Hier wird das Trauma gelöscht, indem der Behandelte extreme Augenbewegungen ausführt. Andere Methoden sind die Klopfakupressur, Farbbrillen (jeder Farbe ist eine bestimmte Emotion zugeordnet) oder durch Veränderung einschränkender Glaubenssätze – im Beispiel von oben etwa: „Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden.“ Viele Psycho-Kinesiologen haben zusätzliche Methoden, die sie selbst in den Ablauf integrieren (zum Beispiel: Düfte, Essenzen, Schüßler Salze, Musik, Bach- oder australische Bush-Blüten).

 

Der direkte Weg zur Leiche unterm Teppich

Die Kinesiologie eignet sich für Menschen, die „tiefer gehen“ und Probleme an der Wurzel packen wollen, ohne viel zu reden. Sie kann sehr viel raschere Erfolge zeigen als etwa eine Psychoanalyse, weil durch den Muskeltest der Verstand ausgeschaltet wird. Die Seele gibt nach Auffassung der Kinesiologie  nur solche Themen zur Bearbeitung frei, die der Mensch bewältigen kann. Voraussetzung ist die Offenheit – auch für sehr unangenehme Emotionen, die hochkommen können. Wichtig ist es, dem Behandler vollkommen zu vertrauen – etwa, weil man ihn empfohlen bekommen hat oder weil er schon eine sehr große Erfahrung aufweisen kann und zusätzlich zur Kinesiologie noch eine systemische Ausbildung absolviert hat. Auch Kinder können kinesiologisch behandelt werden.

Quelle: br.de

>